Werdegang einer Geige

Hier möchten wir Ihnen den Werdegang eines Streichinstrumentes in unserer Geigenatelier zeigen. Unterlegt mit  Fotos können Sie den Bau eines Streichinstrumentes durch einen Geigenbaumeister nachvollziehen. Im Geigenbau dürfen nur alte, abgelagerte Hölzer Verwendung finden. In der Regel reichen circa 10 Jahre, wobei eine längere Zeit von Vorteil ist.
Für den Korpus werden vorwiegend zwei Holzarten verarbeitet: Bergahorn für den Boden, die Zargen, den Hals und den Steg; Gebirgsfichte für die Decke. Die Teile für Decke und Boden werden meistens wie "Tortenstücke" im sogenannten Spiegelschnitt herausgetrennt.

Ahornstamm mit Segmenten für Geigenböden

Ahornstamm mit markierten Segmenten

Spiegelschnitt bedeutet, dass die Jahresringe senkrecht zur Grundfläche stehen und damit eine jahrhundertelange Widerstandskraft gegen den Saitenzug und den Stegdruck gewährleistet wird. Aus gleichem Grund ist es von großem Vorteil, wenn das Holz gespalten bzw. in Spaltrichtung gesägt wird.
Zubehörteile wie Griffbrett, Saitenhalter und Wirbel werden aus Harthölzern wie Ebenholz oder Palisander gemacht. Alle Hölzer sollten natürlich abgelagert und nicht künstlich getrocknet werden.

Aufbau


Die Innenform

Im Geigenbau wird vielfach die sogenannte Innenform genutzt. Sie kann immer wieder verwendet werden. Die Innenform entspricht dem Umriss der Zargen und weist sechs Klotzausschnitte auf. Die darin angehefteten Klötze werden dem Umriss entsprechend abgestochen und dienen der Befestigung der Zargen.

 

Innenform im Geigenbau mit angeleimten Klötzen

Innenform mit angeleimten Eck-, Ober- und Unterklötzen

Die Zargen sind dünn gehobelte Brettchen (bei der Geige etwa 1mm stark), die mit einem Biegeeisen heiß und feucht gebogen werden. Das Profil des Eisens entspricht dem Mittelbügel des Instrumentes. Es wurde früher mit Glut und wird heute elektrisch erhitzt. Die Zargen werden entsprechend der Innenform gebogen und an die Klötze geleimt.

 

So werden im Geigenbau Zargen gebogen

So werden im Geigenbau die Zargen gebogen

Der Boden

Der Boden besteht in der Regel aus Ahorn. Wir benutzen entweder geteilte Böden, die dann in der Mitte zusammengefugt werden oder einteilige Böden. Geigenböden sind an ihrer höchsten Stelle etwa 15- 16 mm dick .

Der Boden wird nun entsprechend dem vorgegebenen Umriss ausgesägt und gewölbt. Das Wölben erfolgt mit im Profil runden Stechbeiteln, mit Wölbungshobeln, kleinen Messinghobeln mit runder Sohle sowie eigens angefertigten Ziehklingen.

So wird im Geigenbau ein Boden gewölbt

Nach Fertigstellung der Wölbung wird die sogenannte Hohlkehle gestochen, eine parallel zum Rand verlaufende Rinne. In der Hohlkehle wird der Graben für die Einlage ausgehoben. Die Einlage besteht aus einem dreiadrigen Holzspan, bei dem ein heller Span von zwei dunklen umfasst wird. Die Einlage hat nicht nur Zierfunktion, sondern soll vor allem bei der Decke Rissbildung verhindern.


Der Boden wird dann mit den gleichen Werkzeugen wie zur Wölbungsherstellung auf Stärke gearbeitet. Die Stärken richten sich nach der Festigkeit des jeweiligen Holzes und haben bei zwei Instrumenten nur selten die gleichen Maße. Wie dick der Boden ist, hat großen Einfluss auf den Klang.
In den Zargenkranz werden die Reifchen eingepasst, schmale Holzleisten, die zur Verbreiterung der Zargen-Leimfläche an Boden bzw. Decke dienen.

Die Decke

Die Decke besteht aus Gebirgsfichte und ist in den meisten Fällen aus zwei Teilen zusammengefugt (s. a. Boden). Das Wölben geschieht genau wie beim Boden, nur dass die Deckenwölbung oft etwas höher und von der Anlage her langgestreckter ist.

 

Deckenwölbung

Deckenwölbung

Die Decke wird  ebenso wie der Boden eingelegt und ausgearbeitet. Hierbei sind die Stärken und deren Verteilung ausschlaggebend für den Klang des fertigen Instrumentes. Nach der Ausarbeitung erhält die Decke ihre F-Löcher und den Baßbalken.

Hier sehen Sie die Deckenausarbeitung im Geigenbau

Deckenausarbeitung

Bevor die Decke aufgeleimt werden kann, muss natürlich die Innenform herausgenommen werden. Nach dem Schließen des Korpus werden die Ränder des Instrumentes sanft verrundet und der Untersattel in die Decke eingepasst.

So wird im Geigenbau die Randgestaltung erarbeitet

Randeln des Bodenrandes

Der Hals

Der Hals und die Schnecke bestehen aus einem Stück Ahorn. Dieser sogenannte Halsklotz wird zunächst auf das breiteste Maß der fertigen Schnecke gehobelt. Die breiteste Stelle befindet sich immer an den "Ohren" der Schnecke .
Dann wird auf beiden Seiten der Umriss aufgezeichnet und entsprechend ausgesägt .
Die Schneckenwindungen werden mit den Halseisen geformt. Diese  bestehen aus acht bis zehn Beiteln, die immer zu dem jeweiligen Radius der Schneckenwindung passen.
Um den fertigen Hals in den Korpus einpassen und einleimen zu können, wird in den Oberklotz ein Ausschnitt eingearbeitet.
 

So wird der Halsfuß im Geigenbau eingepasst

Der Halsfuß wird langsam in den Ausschnitt eingepasst

So wird der Hals im Geigenbau verschnitten
Verschneiden des Halses mit einem sog. Kantenschinder
 

Die Steghöhe wird durch den Halswinkel in Verbindung mit dem Griffbrett bestimmt und muss deshalb schon beim Einpassen des Halses beachtet werden. Dem Hals wird nach dem Aufleimen des Griffbrettes eine für den Spieler angenehme Form gegeben.